Skip to content

4.6 Stetigkeit reeller Funktionen

Wiederholung: Abbildungen

Eine Abbildung oder Funktion f von einer Menge A in eine Menge B:

f:{ABaf(a)

Es gelte: jedem xA genau ein f(x)B zuordnet

  • A ist Definitionsbereich: AR (in der Regel für uns: eine Intervallmenge)

  • B ist Zielbereich: BR

  • af(a) Funktionsvorschrift

  • Bild von A unter f heißt f(A)={f(x)xA}.

  • Urbild einer Teilmenge UB ist f1(U)={xAf(x)U}.

Injektiv, Surjektiv, Bijektiv

  • Injektiv: Verschiedene Elemente im Definitionsbereich liefern verschiedene Funktionswerte.
    Formell: f(x1)=f(x2)x1=x2.
  • Surjektiv: Das Bild von f ist ganz B; also für jedes yB gibt es ein xA mit f(x)=y.
  • Bijektiv: f ist sowohl injektiv als auch surjektiv. Dann existiert eine Umkehrfunktion f1:BA.

4.6.1 Grenzwertbegriff für Funktionen

Sei f:DR, wobei DR.

Ein Häufungspunkt x0 von D ist ein Punkt, um den herum beliebig viele Punkte aus D liegen (außerhalb von x0 selbst).

Formell:
x0 ist Häufungspunkt von D, wenn:

  • es eine Folge (an) in D gibt mit anx0 für alle n
  • (an) konvergiert gegen x0:    limnan=x0.

Falls f nur von links »angeschaut« wird (z. B. D enthält nur Werte kleiner oder gleich x0). Analog rechtsseitiger Grenzwert.

  • Linksseitiger Grenzwert: D:={xD:x<x0}
  • Rechtsseitiger Grenzwert: D+:={xD:x>x0}

Wir schreiben:

limxx0f(x)=yoderlimxx0+f(x)=yoderlimxx0f(x)=y
Außerhalb des Definitionsbereich

Die Funktion ist stückweise definiert im Intervall D=(0,1]:

f(x)={x2,0<x<12,1,12x<1,2,x=1.

Es wird festgestellt, dass das Intervall (0,1) alle Punkte aus dem abgeschlossenen Intervall [0,1] als Häufungspunkte hat. Das bedeutet:

  • Auch wenn f bei x=0 nicht definiert ist, kann man Grenzwerte gegen 0 untersuchen, weil man beliebig nahe an 0 herankommen kann.

Daher sind Grenzwertbetrachtungen an allen x[0,1] sinnvoll.

Betrachtung der kritischen Stellen 0, 12, und 1

Die Grafik untersucht die einseitigen und zweiseitigen Grenzwerte in diesen Punkten.

Bei x=0:

  • limx0+f(x)=limx0f(x)=0, da dort f(x)=x2.
  • limx0f(x) ist nicht definiert – es gibt von links kein xD.

Bei x=12:

  • limx12f(x), aber 14=limx12+f(x)=1
  • Damit ist der zweiseitige Grenzwert nicht definiert, weil die links- und rechtsseitigen Grenzwerte nicht übereinstimmen.

Bei x=1:

  • f(x)=1, also: limx1f(x)=1
  • Von rechts: x1+ ist nicht im Definitionsbereich, deshalb limx1+f(x) ist nicht definiert.
  • Trotzdem existiert der linksseitige Grenzwert, also limx1f(x)=1, denn f(x) nähert sich von links dem Wert 1.

Zusammenfassung

  • Die Funktion ist nicht stetig an x=12 und x=1.
  • Man kann einseitige Grenzwerte betrachten, auch wenn ein Punkt nicht im Definitionsbereich ist.
  • Der Unterschied zwischen Funktionswert und Grenzwert ist wichtig: z. B. ist f(1)=2, aber der Grenzwert gegen 1 von links ist 1.

Rechenregeln für Grenzwerte

Sein limxx0f(x) und limxx0g(x), dann:

  1. limxx0[f(x)+g(x)]=limxx0f(x)+limxx0g(x)
  2. limxx0[f(x)g(x)]=limxx0f(x)limxx0g(x)
  3. limxx0|f(x)|=|limxx0f(x)|
  4. Falls B0, limxx0f(x)g(x)=limxx0f(x)limxx0g(x)

4.6.2 Stetigkeit

Sei DR und x0D:

  • Eine Funktion f:DR heißt stetig in x0, falls gilt:

    • Für jede Folge (an)D, die gegen x0 konvergiert,
      konvergiert auch die Folge f(an), und zwar mit:limnf(an)=f(x0)
  • Eine Funktion heißt stetig auf D,
    wenn sie in jedem Punkt x0D stetig ist.

  • Wir bezeichnen mit

    C(D):={f:DR|f stetig auf D}

    die Menge aller auf D stetigen Funktionen.

4.6.3 Eigenschaften stetiger Funktionen

Satz: Sind f und g in x0 stetig, dann auch

  1. f+g ist in x0 stetig,
  2. fg ist in x0 stetig,
  3. |f| ist in x0 stetig.

Beispiel: Jede Polynomfunktion

p(x)=a0+a1x+a2x2++akxk(kN)

ist stetig auf R. Grund: Summe und Produkt stetiger (konstanter, linearer) Funktionen bleiben stetig.

4.6.4 Operationen und Umkehrfunktionen

  • Addition, Multiplikation, Verknüpfung stetiger Funktionen ergeben wieder stetige Funktionen.
  • Bijektive Funktion f hat eine Umkehrfunktion f1.
    • Frage: Ist f1 auch stetig?
      Antwort: Im Allgemeinen nein. Es braucht weitere Bedingungen.
    • Aus der Analysis: Ist f streng monoton (wachsend oder fallend) und stetig, so ist f1 ebenfalls stetig.

4.6.5 Definition: Monotonie

  • monoton wachsend: x1<x2f(x1)f(x2)
  • streng monoton wachsend: x1<x2f(x1)<f(x2)
  • Analog (streng) monoton fallend.

Streng monotone, stetige Funktionen auf Intervallen sind bijektiv, und ihre Umkehrfunktion ist dann ebenfalls stetig.

4.6.5 ε-δ-Kriterium

Das ε-δ-Kriterium ist eine klassische und präzise Definition der Stetigkeit. Es ist äquivalent zur Folgendefinition, aber basiert auf einer expliziten Abschätzung der Funktionswerte in Abhängigkeit von der Nähe zum Punkt x0.

Satz

Seien

  • DR,
  • x0D,
  • f:DR.

Dann ist f stetig in x0 genau dann, wenn gilt:

  • Für alle ε>0 existiert ein δ>0, sodass für alle xD mit
    • |xx0|<δ und
    • |f(x)f(x0)|<ε.

Bedeutung:

  • ε: maximale erlaubte Abweichung im Funktionswert
  • δ: passende »Toleranz« im Argumentbereich, damit diese Abweichung eingehalten wird

Das Kriterium sagt:

Wenn man sich mit x genügend nah an x0 hält (kleiner als δ),
dann bleibt auch der Funktionswert f(x) beliebig nah an f(x0) (kleiner als ε).

4.6.8 Lipschitz-Stetigkeit

Eine stärkere Form der Stetigkeit: f ist Lipschitz-stetig auf D, wenn es eine Konstante L>0 gibt mit

|f(x)f(y)|L|xy|für alle x,yD.

Jede Lipschitz-stetige Funktion ist auch stetig, aber nicht umgekehrt.

4.6.9 Wichtige Eigenschaften stetiger Funktionen

  1. Zwischenwertsatz (Darstellung Bolzano, Cauchy):
    Ist f stetig auf einem Intervall [a,b] und f(a) und f(b) haben verschiedene Vorzeichen (z. B. eins positiv, eins negativ), dann besitzt f mindestens eine Nullstelle in (a,b).
  2. Nullstellensatz von Bolzano:
    Spezialfall des Zwischenwertsatzes: Liegt 0 zwischen f(a) und f(b), so gibt es ein c(a,b) mit f(c)=0.
  3. Beschränktheit:
    Auf einem abgeschlossenen, beschränkten Intervall [a,b] ist jede stetige Funktion f beschränkt und nimmt Minimum und Maximum an (Extremwertsatz).